Verband der Sportboot- und Schiffbau-Sachverständigen

CE-Zertifizierung – ein kritischer Blick zahlt sich aus

Die meisten Bootskäufer interessieren sich in der Regel nicht für das Thema CE-Zertifizierung. Das ist Herstellersache und bis zur Frage nach der Konformitätsbescheinigung bei einer Registrierungsstelle oder der Versicherungsagentur ist das Thema in etwa so sexy wie die Routinekontrolle beim Zahnarzt… Aber auch bei der letztgenannten wird es spätestens dann interessant, wenn der Dentist etwas findet und zum Bohrer greift.

Sicherlich hinkt der Vergleich etwas, aber auch beim Thema CE können für den Bootseigner Überraschungen zutage kommen, die mitunter ärgerlich sind, oder größere Kreise ziehen. Das kommt zum Beispiel auch beim Kauf eines Gebrauchtbootes zum Tragen. Nicht nur die Herstellerplakette auf dem Schiff ist hierbei von Belang, sollte das Fahrzeug nach Juli 1998 in Verkehr gebracht worden sein. Auch die Konformitätserklärung des Herstellers sollte vorhanden sein. Häufig ist dieser Bestandteil des Handbuches.

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In unserem Beispiel sehen wir unseren Sachverständigen Ulrich Manigel bei einer Inspektion auf einer selbstgebauten Segelyacht. Im Rahmen einer so genannten „Begutachtung nach Bauausführung“ wird eine Inspektion aller relevanten Bereiche durchgeführt. Das betrifft in diesem Fall vor allem die Systeme und Sicherheitseinrichtungen.
Die Begutachtung beginnt bereits an Deck. Stimmen zum Beispiel die Höhen und Abstände der Relingsstützen? Wie groß ist die Öffnung im geteilten Bugkorb? Ist die Fußreling ausreichend bemessen? Herr Manigel identifiziert die erste Abweichung im Bereich des Kraftstoff Einfüllstutzens. Dieser ist nicht vorschriftsmäßig beschriftet. Hier muss also nachgebessert werden.
Weiter geht es unter Deck. In diesem Fall im Maschinenraum. Geprüft werden die Kraftstoffschläuche und deren Anbindung, sprich Schlauchschellen. So wird hier das Fehlen einer zweiten Schlauchschelle bemängelt. Die Schläuche selbst unterliegen wiederum einem weiteren ISO-Standard, der entsprechende Aufdruck auf den Schläuchen bescheinigt dabei die Konformität. Alle Prüfungen und Abweichungen werden dokumentiert, fotografiert und später in einem entsprechenden Bericht zusammengefasst.  
Ein weiteres wichtiges System im Fokus ist die Elektrik. Nicht ohne Grund. Sowohl die Gleichstrominstallation, in der Regel 12 V, oder 24 V wie auch das 230 V Wechselstromsystem können bei unsachgemäßer Auslegung ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen. Personenschäden wie auch Brand Gefahr sind hier als realistische Risiken zu nennen.
Der Vollständigkeit halber sei auch erwähnt, dass nachträgliche Änderungen an einem ursprünglich intakten und konformen System möglicherweise zu Abweichungen führen, die eine bestehende ISO-Standard konforme Auslegung in Frage stellen. Das kann durchaus relevant für zum Beispiel den Versicherungsschutz sein. Auch wenn die Vergleiche mit der Automobilindustrie immer etwas hinken. Dennoch leuchtet es schnell ein, dass zum Beispiel Änderungen an einer Bremsanlage die Zulassung eines Fahrzeugs erlöschen lassen, sofern sie nicht geprüft und eingetragen werden. Gerade bei Booten ist es jedoch üblich, dass viele versierte Eigner gern selbst zur Tat schreiten und die CE-Konformität schlimmstenfalls damit verletzten, wodurch zum Beispiel auch der Versicherungsschutz fraglich werden kann.    

Weiter geht es mit der Bilgenpumpe. Auch ein relevantes System welches im Rahmen einer CE-Zertifizierung einem entsprechenden ISO-Standard genügen muss. Im Fallbeispiel sollte die Lösung noch einmal überdacht werden. Die Pumpe liegt mehr oder weniger lose in der Bilge.
Interessant wird es nochmal bei der Begutachtung des Kochers. Die Segelyacht in unserem Beispiel verfügt über einen kardanisch aufgehängten Petroleumkocher. Hierbei sind zunächst Länge und Zustand der Schlauchleitung unter Betrachtung. Schließlich muss sichergestellt sein, dass die Schlauchlänge auch beim Schwenken des Kochers ausreichend groß ist. Das scheint gegeben.
Kritischer sieht es jedoch bei der Position der zwingend erforderlichen Löschdecke aus. Diese ist zwar vorhanden, liegt aber mehr oder weniger lose hinter dem Kocher. Man müsste im Falle eines Brandes über den Kocher greifen um diese zu erreichen. Ein eher „heißes“ Unterfangen. Die Löschdecke gehört sicher fixiert an eine Stelle nahe dem Kocher an dem sie im Brandfalle sicher erreicht und herausgezogen werden kann. Nachbessern ist angesagt. Und ein weiterer interessanter Aspekt im Zusammenhang mit der Kocherinstallation wird geprüft. Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten ist im Falle eines Brandes am Herd mit offener Flamme der Fluchtweg aus dem Vorschiff über den Hauptniedergang möglicherweise versperrt. Für diesen Fall sieht eine weitere Norm eine alternative Fluchtmöglichkeit aus dem Vorschiff vor. Im Beispiel wäre dieser über das Vorluk zu realisieren.
Um die Nutzbarkeit der Öffnung als Fluchtluke zu garantieren gibt es auch hier messbare Größen und Abstände. Die lichte Weite der Fluchtöffnung muss ausreichen, ebenso darf sie nicht mehr als 1,2 m über einer entsprechenden Trittfläche liegen, wie im aktuellen Fall die Vorschiffskojen. Schnell wird hier die übergreifende Bedeutung einer konstruktiven Lösung ersichtlich, die sich schnell auf mehrere Sicherheitsbereiche erstreckt.

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Unser Film zeigt letztendlich nur einen kleinen Ausschnitt der erforderlichen Prüfungen anhand einiger Beispiele. Die gesamte Inspektion erfordert eine Vielzahl weitere Punkte, die entsprechend überprüft werden müssen. Dazu ist nicht nur lange Erfahrung, sondern auch die Kenntnis der einschlägigen Regelwerke erforderlich.

Alle festgestellten Abweichungen werden in einem Bericht des Sachverständigen zusammengefasst. Der Eigner, oder Initiator der in diesem Fall nachträglichen CE-Zertifizierung muss diese nun entsprechend nachbessern. Im einfachsten Fall kann das zum Beispiel durch eine zweite Schlauchschelle, oder einen simplen Aufkleber erfolgen. Allerdings können hierbei auch größere Baustellen zu Tage treten, die schlimmstenfalls auch bauliche Maßnahmen erfordern. Zum Beispiel wenn die angedachte Fluchtluke nicht den Anforderungen entspricht. Hierbei wird deutlich welchen Einfluss das auf eine potenzielle Kaufabsicht haben kann.  

Nach entsprechender Abarbeitung und Dokumentation der Abstellmaßnahmen stellt die benannte Stelle nun eine neue Wasserfahrzeug Identifizierungsnummer, sowie eine neue Herstellerplakette aus. Ein Konformitätsbericht wird dem Eigner ebenfalls übereicht. Das Schiff verfügt dann über die nötigen Dokumente, nicht zuletzt auch für die Zulassung bei Behörden und ist auch bei Rückfragen des Versicherers bestens gerüstet.